Ästhetik im Extrembereich

Freunde von mir, Sigrid und Hartl, ...sie leben in einer Coop-Produktions-Gemeinschaft in der Südsteiermark. Sie haben – neben vielen anderen Kunstschüben -  die Farbstiftzeichnungen neu belebt.

Mögliche gedankliche Verbindungen weisen auf das Stallausweißen hin, das einmal im Spätherbst bei den Kuhbauern zur Tradition gehörte. Da wurde der Stall mit Kalkmilch geweißt und nach getaner Arbeit wurden die Küh als Entschädigung für den Eingriff in ihren gewohnten Lebensbereich mit frischem Gras gefüttert. Da blieb es nicht aus, dass bereits nach kurzer Zeit die ersten „Kuhaboggal-Zeichnungen“ die frisch desinfizierten Wände zierten: durch das lustvolle Peitschen mit den Schwänzen entstanden auf weiß gekalkten Wänden Meisterzeichnungen in kräftigen Farbtönen – zumeist in grün und schwarz.

Wie gesagt, blieb dieser Vorgang der Coop-Produktions-Gemeinschaft nicht verborgen. Flink schafften sie sich eine Peitsche an und banden an die Enden die Farbstifte, ordentlich gespitzt, und geißelten den Malkarton mit Hingabe und Freude, dass ein jeder Betrachter die Dynamik ihrer Maltechnik bewundernd lobte.

So wurde mancher Freund mit einer Peitschenzeichnung geehrt; Angelika, meine Mutter, erhielt am 3.November 1999 einundfünfzig Hiebe zu ihrem Geburtstag mit der Zeichenpeitsche ausgeführt und war glücklich darüber.

 

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Peitschenzeichnung: Detlef Hartmann, Siegrid Eisentle ©


Leider - oder zum Glück für unsere Freundschaft – stoppte die Coop-Produktions-Gemeinschaft nach kurzer Zeit die gewinnbringende Anfertigung ihrer dynamischen Farbzeichnungen; dies geschah zu einer Zeit, als der Kunstmarkt anfing,  aufmerksam zu werden. Sie vertieften sich in weiter gehende Auseinandersetzungen mit der Kunst. Mehr darüber wird im galaktischen Museum erzählt.

In diesem Zusammenhang sei mir eine Abschweifung noch verziehen. Denn es ist immer mehr Usus, aus der Umgebung Kunst zu destillieren. Da bleibt es nicht aus, dass so mancher Konzeptkünstler in ein Krankenhaus marschiert, dort beobachtet, wie die Patienten der Reihe nach  in hübschen Farben verpackte Pillen schlucken und auf die glorreiche Idee verfällt, mit diesen pastellenen Pillenfarben die Krankenzimmer zur Erbauung der notleidenden Insassen zu verschönern. Das Ganze wird dann als „Ästhetik im Extrembereich“ verkauft, „um damit ein ästhetisches Raumklima zu schaffen, damit das Wohlbefinden der Patienten zu fördern, den Genesungsfortschritt zu beschleunigen und letztendlich mit der Umgestaltung der Patientenzimmer die Qualität des Arbeitsplatzes für das medizinische insbesondere für das Pflegepersonal zu steigern.“ Ja,ja, ja... da lobe ich mir letztendlich die Aussagekraft unserer pfleglichen Kühe.