Die Frühgeburt oder das Dasein als Flieger.

 

Ich bin im November geboren. Eigentlich muss ich sagen, wurde ich auf die Welt geholt. Sieben Wochen zu früh haben die Ärzte mich mittels Kaiserschnitt aus der Geborgenheit an das Licht gezerrt. Der Messfehler eines Internisten war die Ursache und dahinter verbarg sich eine Unverträglichkeit der Blutgruppe meiner Eltern. Vater Rhesusfaktor positiv, Mutter Rhesusfaktor negativ. Was heißt Messfehler? Mein Kopf war zu groß für 7 1/2 Monate und so wurde auf Grundlage dieser Messdaten die Zeit meines Daseins ab der Zeugung falsch berechnet.

Das führte dazu, dass ich in einen Brutkasten gebettet wurde, in grelles Licht getaucht und mit Apparaturen verbunden, die gurgelnde Töne ausspuckten. Meine Schlafhaltung entsprach der einer Unke, die völlig entspannt mit gegrätschten Extremitäten auf dem Teichwasser schaukelt und eintönig nach Liebe schreit.

Mein Vater erinnerte sich zu einem späteren Zeitpunkt an diese hippe Bauchlage und den Beginn meines Erdendaseins. Er hat – es sei ihm verziehen -  einen Flieger in mir gesehen. Mein Vater ist Bildhauer. Auch das sei ihm verziehen.

Die Tragfläche des Fluggefährts war kreisrund und lag huckepack am hinteren Ende. Das Flugzeug entsprach eher einer Rakete, wäre nicht das Fahrgestell  einem alten Leiterwägelchen entnommen worden. Die spitz auslaufende Flugkonstruktion war mit Rindsleder bespannt. Den Flieger, also mich, haben Papas Bildhauerhände aus schwerer Keramik geformt.

Das führte – ich bin so etwas durchaus gewohnt – zu einseitiger Belastung. Der Probeflug verlief wie erwartet. Die Tragfläche kippte und schüttete den Flieger auf den Boden.

Die Bruchlandung war perfekt; ...mein Fliegerdasein war beendet.